Mit freundlicher Genehmigung von Trierischer Volksfreund
Artikel von Marek Fritzen
Trier · Die Trierer Nothilfe ist eine Institution: Vom Kinderfahrrad bis zur Unterhose gibt’s in dem Laden in der Thebäerstraße alles für Bedürftige. Doch der Einrichtung droht das Aus.
Plötzlich ist sie da, die Frau, irgendwo im Eingangsbereich vor dem Schreibtisch, an dem Heidi Staudt immer die Kasse macht. Ist erst ein paar Tage her. Tränen hat sie in den Augen, wirkt hilflos, ratlos, wie sie da zwischen all den Kleiderständern mit den Hosen, den Jacken und all der Weihnachtsdeko steht.
Bernd Zunkers Stimme fängt zu schwimmen an, wenn er davon erzählt. Kurz zuvor, so sagt er, kurz zuvor habe sie eine Krebsdiagnose erhalten, habe nicht gewusst, wie es weitergehen, wo sie hinsolle. „Sie hatte niemanden, an den sie sich hätte wenden können.“
All das erzählt die Frau Bernd Zunker und Heidi Staudt, während ihr die Tränen die Wangen hinunterlaufen. Dass ihr Weg sie in den Laden der Nothilfe führt, allein das sagt schon so unglaublich viel über diese Institution im Trierer Norden.
Eine Institution in Not
Wieso das letzte Trierer Sozialkaufhaus um seine Zukunft bangt
Bernd Zunker und Heidi Staudt, sie sind da für die Frau, hören ihr zu, nehmen sie in den Arm. Manchmal, das wissen sie bei der Nothilfe nur allzu gut, manchmal, da braucht es einen Pullover für die Wärme von außen, und manchmal, da braucht es eine Umarmung für die Wärme von innen. Zunker und Staudt, sie schalten den Sozialdienst katholischer Frauen ein, vermitteln die Frau dorthin.
Von Pumps bis Kühlschrank: Es gibt fast alles im Nothilfe-Laden in Trier
Die Nothilfe, sie hat Jacken, sie hat Fahrräder, Kaffeemaschinen, Kühlschränke, und ja, auch Pumps in Größe 46, aber vor allen Dingen hat die Trierer Nothilfe ein ziemlich großes Herz und jede Menge Kontakte – wenn es drauf ankommt, dann ist auf sie Verlass, auf Heidi Staudt, auf Bernd Zunker, die beiden einzigen hauptamtlichen Mitarbeiter, auf Friedhelm Biesdorf, den ersten Vorsitzenden des Vereins.
Und es kommt sehr oft drauf an, auf die drei und die ehrenamtlichen Mitarbeiter: Denn der Nothilfe-Laden in der Thebäerstraße ist inzwischen einer der letzten gemeinnützigen Sozialläden mit komplettem Sortiment in der Region.
Die Nothilfe, sie ist eine Institution, und das nun schon seit einer gefühlten Ewigkeit: Denn Mitte Dezember, da feiert die Trierer Nothilfe mit ihrem Laden in der Thebäerstraße 24 ihr 40-jähriges Bestehen. Eigentlich ein Grund zum Feiern, um mal so richtig die Korken knallen zu lassen – doch Zunker, Staudt und Biesdorf, ihnen ist dieser Tage eher zum Heulen zumute.
Denn nachdem schon Corona den Verein mächtig durchgeschüttelt hatte, Spenden und ehrenamtliche Helfer fehlten, es zuletzt allerdings wieder besser lief, drohe der Einrichtung nun das Aus, wie Friedhelm Biesdorf berichtet.
Der Grund: Das Finanzamt habe sich gemeldet, erklärt der Vorsitzende, fordere eine Umsatzsteuer-Nachzahlung im fünfstelligen Bereich für den Zeitraum von 2017 bis 2023. Eine Tatsache, die ihn ratlos zurücklässt. Er sagt: „Seit Gründung wurde die Nothilfe stets als Zweckbetrieb geführt, musste somit keine Umsatzsteuer zahlen.“
Der Trierer Nothilfe-Vorsitzende zeigt sich fassungslos
Das allerdings, so der 82-Jährige, das solle nun mit einem Mal nicht mehr gelten. Aus heiterem Himmel sei die Forderung gekommen, ohne Vorwarnung in den vergangenen Jahren. Er zeigt sich fassungslos. Das Finanzamt sehe die Nothilfe plötzlich als wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb an, womit nicht nur die Gemeinnützigkeit dahin wäre, sondern auch erhebliche steuerliche Belastungen auf die Einrichtung zukämen.
„Wieso das jetzt auf einmal der Fall sein soll, ist mir völlig unerklärlich“, betont Friedhelm Biesdorf, der seit Jahrzehnten als Wirtschaftsprüfer tätig ist, früher zudem – wie er berichtet – Finanzbeamte ausgebildet hat.
„Anscheinend glaubt das Finanzamt, wir seien hier ein reines Kaufhaus, würden nur verkaufen und das große Geld verdienen.“ Lächerlich sei eine solche Annahme, es gehe bei der Nothilfe doch nicht um Gewinnmaximierung. „Gewinn machen wir sowieso keinen, im Gegenteil, wir sind froh, wenn wir gerade so unsere Kosten decken können.“ Auch Freibetragsgrenzen, deren Überschreiten eine Umsatzsteuerpflicht rechtfertigen würden, seien von der Nothilfe nie erreicht worden, betont Biesdorf. „Wir wollen in allererster Linie Menschen helfen, geben viele Sachen umsonst raus, Schlafsäcke an Obdachlose, Hosen, Shirts für einen Euro, mal für nichts.“
Hinzu komme die Unterstützung sozialer Einrichtungen wie Palais, Fidibus oder die integrative Kindertagesstätte Haus Tobias in Feyen. „Da entscheiden nun Menschen über uns, die haben weder mal einen Blick in den Laden geworfen, noch sich mal damit beschäftigt, was wir überhaupt machen“, schimpft Friedhelm Biesdorf.
Von der Finanzverwaltung werde völlig ignoriert, was der Verein an „mildtätigen Aktionen“ leiste, ohne dass die Nothilfe Geld dafür bekomme. „Noch mal, um das klar zu sagen: Dieser Laden ist nur Mittel zum Zweck, Bedürftigen unmittelbar zu helfen – unentgeltlich. Und wenn überhaupt, dann nur gegen ein geringes Entgelt, damit wir unsere Kosten tragen können.“
Seitdem bekannt sei, dass die Nothilfe vor dem Aus stehe, gehe unter den Besucherinnen und Besuchern die Angst um, berichtet Mitarbeiter Bernd Zunker. „Die Leute sind total geschockt, die wissen nicht, wohin – es gibt so viele, die uns brauchen.“
Nothilfe in Trier: Vor Ladenöffnung stehen schon wartende Menschen vor der Tür
Wenn der Laden montags um 10 Uhr öffne, erzählt der 53-Jährige, dann stünden oft schon bis zu zehn Leute vor der Tür. „Es kommen Geflüchtete aus der AfA, es kommt die junge alleinerziehende Triererin, die sich nur bei uns Shirts und Hosen für ihre zwei Kinder leisten kann. Es kommt das pensionierte Ehepaar, das unbedingt einen Kühlschrank braucht, aber nicht das Geld für einen neuen hat, sich daher einen für 60 Euro bei uns kauft.“
Bernd Zunker ist Fachanleiter für Menschen mit psychischer Erkrankung, hat früher mal beim Club Aktiv, zuvor beim Trierer Bürgerservice gearbeitet. Er habe ein Faible für soziale Arbeit, sagt er. „Das hier im Laden ist eine solch sinnstiftende Arbeit, man bekommt so viel zurück.“ Es gebe Leute aus dem Viertel, berichtet der Trierer, die lebten gefühlt im Laden. „Die kommen hierhin, zum Erzählen, zum Lachen, weil sie zu Hause keinen haben.“
Und wenn Zunker hinten im Lager die Möbel räumt, dann hat er meist noch ein paar Helfer an seiner Seite. Nicht die Ehrenamtlichen, die sind vorne im Laden, nein, junge Männer, oft um die 20, um die 30, die im Nothilfe-Laden ihre Sozialstunden ableisten. Er arbeite in diesem Zusammenhang mit Gerichten und Bewährungshelfern zusammen. Zunker sagt: „Mit den Jungs umzugehen, ist keine Hexerei, man muss ihnen nur auf Augenhöhe begegnen.“ Manche, so erzählt er, manche blieben sogar über ihre verpflichtende Zeit im Nothilfe-Laden, „weil es ihnen so gut gefällt“. Ein mögliches Aus, so gibt er zu bedenken, es wäre auch für sie ein heftiger Schlag.
Was sagt das Finanzamt Trier zu all den Fragen?
Wie sieht es also aus, droht tatsächlich das Ende der Nothilfe aufgrund von Steuernachzahlungen und einer künftigen Einstufung des Vereins? Was sagt das zuständige Trierer Finanzamt zu alldem?
Wir haben der Behörde einen Katalog mit Fragen geschickt, wollten wissen, ob es stimme, dass die Nothilfe künftig nicht mehr als Zweckbetrieb, stattdessen als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb gelistet werden solle?
Auch haben wir nachgefragt – falls es stimme – warum diese Änderung gerade jetzt zur Diskussion stehe, nachdem die Nothilfe nach Aussage der Verantwortlichen in den vergangenen 40 Jahren stets als Zweckbetrieb und gemeinnützig gelistet worden sei?
Außerdem die Frage: Was ist mit der fünfstelligen Summe, die laut Nothilfe-Vorsitzendem nachgezahlt werden soll. Ist das korrekt? Und falls ja: Bis wann sollte diese Summe beglichen werden?
Gerne hätten wir an dieser Stelle die Sicht des Finanzamts dargelegt, doch: Antworten liefert die Behörde nicht. „Wir bitten um Verständnis“, heißt es schriftlich, „dass wir zu Einzelfällen mit Blick auf das Steuergeheimnis keine Auskünfte erteilen“.
Wie Friedhelm Biesdorf berichtet, habe man sich mit dem Finanzamt zunächst erst mal darauf geeinigt, nachzuweisen, dass zwei Drittel der Menschen, die im Laden einkauften, Bedürftige seien. Wenn das nachgewiesen werde, so die Zusicherung, dann bleibe die Nothilfe auch zukünftig ein Zweckbetrieb und somit steuerfrei.
Heißt jedoch: Nun müssen Bescheinigungen und Dokumente vorgelegt werden. Bernd Zunker: „Die Leute müssen sich komplett nackig machen, und wir das alles dokumentieren – eine wahnsinnige Mehrarbeit.“ Das unbürokratische Helfen, es werde dadurch zunichtegemacht, findet der 53-Jährige.