Mit freundlicher Genehmigung von Trierischer Volksfreund
Artikel von Marek Fritzen
Wieso das letzte Trierer Sozialkaufhaus um seine Zukunft bangt
Trier · Pumps, Schallplatten, Unterhosen, Kinderbetten, Sofas: Das Sozialkaufhaus der Trierer Nothilfe e.V. hat so gut wie alles – außer Preisschilder, die gibt’s nicht. Gezahlt wird, was geht. Der Laden ist eine Institution – seit fast 40 Jahren. Doch es steht nicht gut um das Kaufhaus. Müsste es dichtmachen, wäre das eine Katastrophe für viele Menschen. Von verlorenen Zähnen, Glücksbringern und einem eindringlichen Appell. Ein besonderer Besuch vor Ort.
Manchmal ist das Glück eine Unterhose: So wie neulich, als vorne am Tresen bei Heidi Staudt mal wieder das Telefon klingelt, eine ältere Dame dran ist. Die, die so oft anruft. Mal nach diesem, mal nach jenem fragt. Diesmal braucht sie Unterhosen, dringend. Unterhosen? Mal sehen, sagt Heidi Staudt in den Hörer, ob noch welche da sind. Sie geht, schaut, kommt zurück und meldet: Ja, Unterhosen vorhanden. Und wenn die Kunden – wie in diesem Fall – nicht mehr mobil sind, dann bringen sie ihnen die Unterhosen halt nach Hause. „Wir machen alles möglich“, sagt Bernd Zunker. Und Heidi Staudt, seine Kollegin, sie nickt.
Bernd Zunker und Heidi Staudt, sie bringen Glück. Wenn es sein muss auch nach Hause. Auch zu der jungen, krebskranken Frau und ihren zwei Kindern aus dem Trierer Norden. Der Frau ist, während sie sich inmitten ihrer Chemotherapie befand, die Spülmaschine kaputtgegangen. Sie hätte – um eine neue zu beantragen – zum Sozialamt laufen müssen. „Da wäre dann ein Bedarfsprüfer rausgekommen. Das hätte vier Wochen gedauert“, sagt Bernd Zunker. Zeit, die die junge Frau nicht hat. Also gehen Zunker, Staudt und ihr Team ins Lager, packen eine gebrauchte Spülmaschine in den Kastenwagen, fahren rüber und bauen der Frau die Maschine ein.
Glück, das gibt’s bei Zunker und Staudt auch zum Abholen. Täglich. Für 25 Cent. Für den, der möchte. So wie der Herr, der jeden Vormittag zur Tür reinkommt, geradewegs hinten durch in den Raum mit den Büchern läuft, sich eins raussucht, wieder nach vorne kommt, bei Heidi Staudt 25 Cent auf den Tresen legt und verschwindet. „Er hat eine psychische Erkrankung“, erklärt Zunker, „für ihn ist das ein großes Glück herzukommen, sich ein Buch auszusuchen“.
Manchmal, ganz selten, gibt’s statt Glück mal Pech bei Bernd Zunker und Heidi Staudt
Nur ganz selten, da hat man mal kein Glück bei Bernd Zunker und Heidi Staudt. So wie letztens. Da rief eine Frau an. Ihre Familie, so erzählte sie, die habe kurz zuvor eine Kiste voller aussortierter Schuhe, Hosen und Shirts im Laden abgegeben. Nun suchte die Frau ihre Zähne. Nicht mehr da. Weder im Mund noch sonst wo. Der konnten sie nicht helfen. In der Kiste waren keine Zähne. Bernd Zunker hatte extra noch mal nachgesehen. Pech gehabt.
Bernd Zunker und Heidi Staudt – sie sind die Glücksbringer, die Möglichmacher aus der Thebäerstraße. Dort im Norden Triers, unweit der Paulinkirche, liegt – wenn man so will – die Heimat des Glücks. Denn dort steht es, das Sozialkaufhaus der Trierer Nothilfe e.V. Eine Institution seit 1984. Zunker und Staudt sind die beiden einzigen hauptamtlichen Mitarbeiter im Laden.
Sie sind Frau und Herr über ein Sortiment, dass sich nur schwer in Worte fassen und noch viel schwerer auf rund 800 Quadratmetern Verkaufsfläche verstauen lässt: Es gibt Pumps, es gibt Lampen, es gibt Sofas, es gibt Maxi-Cosis, es gibt Kaffeemaschinen, es gibt Schallplatten von Rex Gildo, es gibt Babybetten und ja, einen großen, dicken Weihnachtsmann, den gibt es auch. Anders gesagt: Es gibt nichts, was es nicht gibt. Alles gebraucht, alles in Schuss, alles ohne Preisschild. Denn: Wer hier kauft, bestimmt selbst, was er gibt, was er geben kann. Bernd Zunker sagt: „Unsere Kundinnen und Kunden kommen aus allen Gesellschaftsschichten. Es ist nicht so, dass nur Bedürftige zu uns kommen – aber eben auch.“
Was reinkommt an Einnahmen, geht an Trierer Vereine wieder raus. An die Kinder- und Jugendhilfe Palais e.V. zum Beispiel. „Die finanzieren davon unter anderem ihre Ferienfreizeiten“, berichtet Bernd Zunker. Auch Trierer Obdachlose werden unterstützt, mit Kleiderspenden.